Bildungs-verständnis

Der Begriff »Jetztzeit« gibt es vor – wir streben mit unserer Bildungsarbeit keine andere Zukunft an, unser Bildungsverständnis setzt im »Heute« an. Dementsprechend geht es uns nicht nur um die Hervorbringung einer anderen Haltung, sondern um eine aktive Veränderung im Miteinander.
Demokratie erfüllt sich nicht, indem sie auf eine künftige Erfüllung verweist, sondern einzig in der unmittelbaren Ermöglichung von Mitgestaltung – darauf arbeiten wir mit unserer transformativen Bildung hin.

Unser Verständnis von Bildung vermittelt nicht schlicht die eindeutige Lösung oder richtige Antwort, sondern fragt kritisch danach, weshalb manche Lebens- und Lösungswege in unserem Miteinander naheliegender erscheinen und andere unerreichbar wirken und oftmals auch mit größeren Widerständen einhergehen. Dies bedeutet für uns, dass wir die bestehenden Verhältnisse auf ihre Ungleichgewichte und Ungleichheiten hin befragen: Wer trägt die Kosten unserer Lebensweise? Wer kann sich selbstverständlich in der Öffentlichkeit bewegen? Wem fällt die Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander leicht und wer muss sich verstellen oder verschwindet in der Unsichtbarkeit und Unsicherheit? Demokratie heißt nicht nur Rechte zu haben, sondern auch die Möglichkeiten zu kennen und ergreifen zu können, um für diese zu streiten. Unsere Bildung setzt also kritisch an den Verhältnissen an, welche diese Möglichkeiten verhindern und somit das demokratische Miteinander einschränken.

Die Orientierung am Widerspruch ist bewusst doppeldeutig: Denn es kommt uns sowohl darauf an, das gesellschaftliche Miteinander als von Widersprüchen durchzogen zu begreifen, als auch im Anerkennen dieser Widersprüche eine Möglichkeit zu finden, um dem bloßen »Weiter so« zu widersprechen. Widersprüche umfassen nicht nur das Zusammen- oder Auseinanderfallen von unterschiedlichen Bedürfnissen, Hoffnungen und Lebensrealitäten, sondern auch das Verständnis dafür, dass es oftmals keine einfachen und eindeutigen Lösungen gibt. Die häufig propagierte und praktizierte Entscheidung für einen direkten Weg, die Anerkennung eines unmittelbaren Problems oder die Fokussierung auf eine schnelle Lösung verdrängt die Wahrnehmung größerer Zusammenhänge, wertet Abhängigkeiten ab und vernachlässigt eben darum grundlegende Veränderungsmöglichkeiten. Dementsprechend ist unser Ansatz nicht auf schnelle lösungs- oder problemorientierte Antworten ausgerichtet, sondern rückt die Auseinandersetzung mit Widersprüchen und Abhängigkeiten in den Mittelpunkt.

Die Vermittlung eines transformativen Bildungsbewusstseins setzt die Auseinandersetzung mit den eigenen Widersprüchen und Verstrickungen in die Verhältnisse voraus. Wir sind alle in einer spezifischen Weise mit gesellschaftlichen und individuellen Privilegien und Unterdrückungen verwoben und ungleich von Ausschlüssen und Ausbeutung betroffen. Dies bedeutet, dass wir uns als Verein und Bildungsträger mit unserer gesellschaftlichen, aber auch pädagogischen Rolle auseinandersetzen müssen, um Macht- und Wissenshierarchien zu reflektieren und infrage stellen zu können. Ziel ist es nicht, das Vorhandensein von Asymmetrien zu übergehen oder zu leugnen, sondern zu fragen, woher diese kommen, welche Folgen damit einhergehen und wie diese gemeinsam ausbalanciert werden können. Uns ist es wichtig, gemeinsam einen sicheren Ort für alle Teilnehmenden zu erzeugen, dies bedeutet, dass wir gesellschaftlich vorhandene Asymmetrien – etwa aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Lohnabhängigkeit, persönlichen Überzeugungen oder Sexualität – bewusst konfrontieren und einen sensiblen Raum für ungleiche Erfahrungen und Lebensrealitäten anbieten. Dies setzt voraus, dass wir als Teamende verantwortungsvoll mit unserer Rolle als politische Bildner umgehen und dies auch in unsere Arbeit mit den Teilnehmenden einfließen lassen.

Oberstes Ziel unserer Seminare ist es, mit den und für die Teilnehmenden einen angenehmen Rahmen und Raum zu erzeugen, in welchem gemeinsames Infragestellen und Lernen möglich ist. Infragestellung heißt dabei nicht, persönliche Wahrnehmungen zu verurteilen oder einzelne Lebensrealitäten abzuwerten, sondern uns mit den Umständen und Folgen konkreter Lebensweisen und Weltsichten auseinanderzusetzen. Partizipative Bildung heißt für uns unter anderem, dass wir die Alltagsnormalitäten problematisieren, welche ein aktives Miteinander von Allen einschränken oder gar verhindern. Empowerndes Lernen bedeutet für uns, die antidemokratischen Hürden, welche in der Gesellschaft und im individuellen Selbstverständnis vorhanden sind, zu erkennen und Möglichkeiten zu entdecken, um diese zu überwinden.

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